Rosinante & Co.

Obwohl der Nutzen des Abdeckers für einen Ort / eine Stadt unumstritten ist, so bleiben in den Köpfen derer Bewohner jeweils nur die unreinen Handhabungen hängen, welche seit dem Mittelalter zudem durch die zeitweise geruchsintensiven Verrichtungen sich letztlich - bis in die heutigen Tage - in den Gedanken festgesessen hat und in der Benutzung des Wortes niederschlägt. So verwundert es dann auch nicht, dass die Sprache des Schinders seine Eigenheiten hat, wie auch in anderen Berufsgruppen sich mit der Zeit spezielle Fachtermini entwickelten. Das die Schindersprache innerhalb der Gaunersprache wiederzufinden ist, fällt insoweit nicht ins Gewicht, da eine Abgrenzung des "Berufsstandes" auf allen Ebenen des Zusammenlebens WAHR- und GLAUBhaft gemacht werden wollte.

In diesem Kontext ist so das Tätigkeitsfeld des Abdeckers mit Begriffen aus dem Arbeitsumfeld selbst, den zu verarbeitenden Tieren, der Arbeitsweise bzw. des Tätigkeitsfeldes des Scharfrichters zusätzlich bezüglich der Urteilsvollstreckung eines Delinquenten ... durchzogen. Eigenes Augenmerk gilt hierbei dem Büttel, der in punkto defizil ausgeschriebener Strafvollstreckung fließend mit dem Scharfrichter bzw. dessen Gehilfen Hand in Hand arbeitet.

Der Wert eines Tieres, ob nun zum Transport oder zum eigenen Ertrag bzw. zur eigenen Versorgung war so hoch, dass man hin und wieder davon liest, wie solche teilweise "auf Verschleiß" gefahren/benutzt wurden, wobei der Tod eines Pferdes auf der Hauptstraße manch Volksauflauf verursachte. So berichten die Dresdner Zeitungen 1864 z.B.:

Vorgestern Abend gegen 10 Uhr stürzte vor dem goldenen Löwen auf der Bautzner Straße ein Pferd, daß einer Droschke vorgespannt war, und verendete auf der Stelle. Dasselbe wurde später vom Caviller in Empfang genommen.

Verletzungen von Pferden (durch Scheuen, Sturz, auf Glatteis oder beim Militärmanüver) finden sich jedoch häufiger in den Gazetten.

Vom Ochsen bis zum Kaninchen kam, sobald das Fleisch ungenießbar bzw. "anrüchig" war, alles auf den Hof des Abdeckers. Dieser waltete dann seines Amtes, indem er die Kadaver häutete, zerlegte, zerkochte und die daraus gewonnenen Produkte weiterveräußerte. Sprachlicherseits kommt dies dann folgends zum Tragen:

 

Absetzen

abschneiden, abthun, durch Stich- oder Schnittwunden tödten

Ausfuhre

das krepirte Vieh oder der Leichnam, der beiseite geschafft werden muß. Ausfuhrgeld, die Belohnung für die Beseitigung

Befooscht

beblutet, blutig

Bekern machen

(peger) die Hunde tödten, dann allgemein tödten, krepiren machen

Foosch

das Blut, vom odt. Faist, Faësch, Faëscht, Faisch.

Kuffer

das für den Abdecker bestimmte Tier

Nachtfuhre

das Wegschaffen und Ausräumen der Latrinen in großen Städten.

Plautz

(Plotz, plotzen, platschen; ahd. plestan, klatschen; mhd. bleschen, fallen). geringschätziger Ausdruck der Schinder für Haut oder Fell.

Possert, Pussert

(verdorben von bosor), besonders in der Schindersprache üblich, das Schindaas, auch Fleisch; Possertfetzer, der Fleischer.

Quin, Qvin

Quihun, Quien, der Hund; Quinkuffer (Quiengoffer des Liber Vagatorum), der Abdeckerknecht, dem es obliegt, die herrenlos herumlaufenden Hunde zu fangen und zu tödten.

Rollert

der Schinderkarren; Rollerttrappert, das vor den Schinderkarren gespannte Pferd, Schindmähre.

schinden

Abfäbern (abschneiden, lostrennen)

Schmunk

besonders in der Schindersprache üblich, Butter, Schmalz, Kammfett (von schmucken, schmiegen; schmuckelig, schmuckeln, übel riechen von ranzigem Fett und Fleisch.

Schneiden

Abfetzen (anschneiden, aufschneiden), Aufsetzen (aufschneiden, durch Schneide öffnen), Auschatchenen (auskatschen (chatach), ausschneiden), Chatchenen/chatchen (chotach, schneiden, zerschneiden, durchschneiden); Katschen (kut, kot), abschneiden, schneiden, verschneiden, zerschneiden, aufschneiden, durch Schneiden wegnehmen, verderben.

Steckert

der Stall, besonderer Schinderausdruck

Sturz

die Haut gefallener Tiere, überhaupt Fell, Haut.

 

Die Tiere selber finden gleichsam ihre eigene Bedeutung:

 

Ausschnettlich

das ungeborene Füllen, Kalb, der Abortus, das ungeborene, abgetriebene Kind, aus dessen Fett und Fingerchen die Schlaflichte bereitet werden.

Esel

Chammer (chamor); Schinderspr. bornirter, gemeiner Mensch

Huhn

Mistkratzer

Hund

Grinn; Kalf (verdorben von kelef, Pl. klowim), der Hund; Klafta, die Hündin; Leck (Lex); Urm, Orm;

Kuh

Buckel

Ochse, Rind

Boker

Pferd

Cavall (cavallus); Klebis, Klewis (von Klaue, ahd. chlawa, mhd. kla, dän. kloe, klov, nd. klove, klöve), das Schaf, spätere Form Kleebeißer. Die Schindersprache unterscheidet Klebis, Pferd, und Kleibeißer, Schaf; Kleberer, Pferdedieb; Perz: das Stück Haut, welches die Schweifriebe des Pferdes bedeckt; auch: Söschen - das Pferd (verdorben von sus); Zossen (sus);

Rein

der Hund, von reinen, traben; in der Jägersprache von dem Traben der Wölfe und Füchse gebräuchlich.

Schaf

Bissert , Bissertbumser, Schafhirt

Schwein

Cassert / Chasser (chasir), Greinert; Reiling (von röheln, rüheln, röcheln, grunzen, wiehern, schreien, lat. rugire), in der Schindersprache das Schwein, die Sau.

 

Wenn schon das Abdeckereiwesen anrüchig war, so setzten Hinrichtungen und Torturen des Scharfrichters das "Sahnehäubchen" auf, welche sich auch sprachlicherseits niederschlugen, wobei nicht nur das Tätigkeitsfeld des Büttels gleichfalls teilweise mit einbezogen wurde, sondern auch umgangssprachliche Werte des Gaunerwesens mit einflossen:

 

Abfassen

erhaschen, verhaften

Abmeken

beseitigen, vertilgen, verderben, ermorden

Abschabbern

abbrechen, mit einem Brecheisen wegbrechen, fortbrechen

Amtsschauter

der Amtsschließer, Amts- oder Gerichtsdiener, Aufseher

Auftaljenen

auftolmenen (tolo), aufhängen, henken

Ausaumeden

ausomeden (omad), ausstehen, aushalten, erdulden, Peitschenhiebe erdulden

ausbrechen

Abkrauten (in das Freie gehen, entfliehen, besonders aus dem Gefängnis); Abschefften (entfliehen, fortlaufen); Abschränken (ausbrechen, entspringen); Abtippeln (sich heimlich, hurtig, behend davonmachen, davonlaufen, davonfliehen); Aschween (davongehen, sich fortmachen, fliehen, entlaufen); Ausschabbern (schobar) ausbrechen, mit Gewalt herausnehmen, besonders mit dem Brecheisen; Kraut (ahd. chrŭt, mhd. krŭt), Krautling, Krytling, die Flucht, das Entweichen, Entspringen aus dem Gefängnis.

Ausmackeinen

ausmackeln, aushauen, durchprügeln

Bammelmann

Leiche des Gehenkten am Galgen; einen Bammelmann machen, henken, sich henken

Barsel

das Eisenmetall, das Eisen, die Eisen, eiserne Stangen, Gitter, Ketten, Hand- und Fußschellen

Blaukohl

der Staupbesen

brandmarken

zierlich zeichnen

Brot

das letzte Brot backen, zum Tode verurteilen

Caspern

(kosaw), schlagen; caschpern, ausfragen; beides bedeutet in der Schindersprache noch besonders: mit Sympathie curiren. Daher Casperer, der Betrüger, der mit Sympathie curirt, Quacksalber, Marktschreier

Chassime

(chosam) das Zeichen, Siegel ... eine Chassime bekommen, gebrandmarkt werden

Demmer

Scharfrichter; s. Tammer

Dille

Eindillen (hannov.) in das Gefängnis stecken, gefangen nehmen

Ewil

(owal) Narr, Thor, Sünder

Fleischmann

Verfolger von Gaunern, Polizeidiener, Gerichtsdiener, Gendarm, Hatschier, Henker

Freymann

Abdecker, Scharfrichterknecht

Galgen

Gabler (lat. gabalus, Galgen), der Scharfrichter

Geigerl, Geig‘n

die Bordelldirne, Metze. Geigen, coire.

Gereppeln

rädern, die Knochen brechen (vom nd. reppen, hd. rippeln, rühren, sich rühren, wiederholte kleine Bewegungen machen)

Gymnasium

das CriminalGefängnis

Hader

Hadder, hadern; sich verhaddern (nd. verhäddern) sich verwirren, sich festreden, sich ins Unglück hineinreden.

Handbretzen

Bretzen, oberd. sonst Brezze, Brezzel, Brezel, Prätzel, die Handschellen

hängen

Gedolmt werden, gehenkt werden, s. Taljenen; Schnüren bzw.  einen feinen Knoten schlagen

Heim

hämgangen, hildburgh. gehenkt; heimthun, um das Leben bringen, hinrichten.

Inne

(inuth von ana, ono), Leiden, Schmerz, Qual, Tortur, Marter

Jaske, Jeske

die Kirche. Jaskehändler, der Kirchendieb.

Kaan, Kăn

hier, lat. hic, in loco, das Gefängnis, die Gefangenschaft; im Kaan (im hier, in loco), im Kahn scheften, im Gefängnis sitzen.

Kapdon

(kophad, hikpid), der aufmerksame scharfe Aufpasser, strenger und gefährlicher Polizeibeamter

Kappore

Kappore halcheuen, umgebracht, vernichtet werden; Kappore zawern, um den Hals bringen, den Hals abschneiden.

Käuschlachter

(hannov.) der Schinder; auch: Kue, Kuh für Gefängnis, namentlich Gefängnis für verbrecherische Geistliche. In die Kue sperren, gefangen setzen.

Kitt

(hebr. kisse, Sessel), Kittchen, das Gefängnis, Gefängniszelle

köpfen

Kiewißen (Liber Vagatorum Kabas); Hildburgh. Kibes, der Kopf, vom span. cabeza) köpfen, enthaupten bzw. rasch absetzen

Michel

(michael), besonders in der Composition Langmichel, das Scharfrichterschwert, Schwert, Degen, Säbel.

Neschome

(neschomo), die Seele, das Leben. Die Neschome nehmen, das Leben nehmen, hinrichten, tödten.

rädern

artlich mit dem Rade spielen

Reppelen

rädern, mit dem Rade stoßen, zerschmettern (ahd. riban, reiben, rîbil, Stämpfel, Keule zum Zerstoßen.

Rosch, Resch

der Kopf, das Haupt. Rosch abmachayen, enthaupten (nacho, hikko)

Speck

der Staupbesen; Speck und Schinken, Speck und Blaukohl, körperliche Züchtigung, Hiebe, Staupe, das Züchtigungsinstrument selbst, Peitsche, Ruthe, Staupbesen, Knute.

stäupen

Reinlich fegen

Struppert

der Staupbesen

Taljenen

taljen, talchen, talgen, dolmen, tulmen (tolo), henken; Taljion, Talgener und Tallien, der Henker; Tlija, Telije, Tulm, Tholmann (Schindersprache), Dolmann, Talle, der Galgen

Tammer

(tome, toman), der Scharfrichter, auch Temmer, Dammer, Demmer; Tammerei, die Wirtschaft eines Scharfrichters, tammersch sein, gut tammersch sein, Freund der Scharfrichter, ihrer Leute und überhaupt ihres Handwerks sein; nicht gut tammersch sein, Gegner der Scharfrichter usw. sein.

Torquieren (Tortur)

vernünftig die Glieder versetzen

verbrennen

einem eine Hitze abjagen

vierteilen

nett tranchieren

Zawerle

Halstuch, Cravatte, Halseisen; zawern, an den Hals gehen, den Hals abschneiden, erwürgen, henken, köpfen, hinrichten.

Zerschabern

(schobar), radbrechen, rädern

Zwicker

der Hammer, in der Schindersprache der Scharfrichter, Meister Hämmerlein. Zwicken, kneifen, wegkneifen, martern.

 

Letztlich findes das persönliche Umfeld des Scharfrichters/Abdeckers Zugang in den allgemeinen Wortschatz, wie folgendes aufzeigt.

 

Caffler

Kafiller, Kavaller, Kaviller, Kofler, der Scharfrichter, Halbmeister, Abdecker, welcher eine Abdeckerei besitzt; Kafillerei, die Wirtschaft des Halbmeisters (fillen, schinden, ahd. ka-filler. Cafflermüschel, Koflermüschel, die Schinderstochter

Cavaller

wie Caffler von stillen, der Abdecker

Faber

(lat. faber, Künstler, Verfertiger), der Schinder. Fabern, schinden.

Fahrt

von der Fahrt sein, zum Scharfrichter- oder Abdeckerstande gehören, daraus geboren sein.

Feiriger

der zuwandernde Abdecker; feirig sein, keinen Schinderdienst haben.

Fetzer

der Schlächter, der das Vieh abthut; fetzen, abdecken, schinden; Fetzmechel (Michel), das Schindermesser; Fetzsack, Schindersack; Fetztuch, Schinderlaken; Fetztrappert, Schindmähre, Pferd vor dem Scharfrichterkarren, Abdeckergaul

Finkel

Hexe; Finkelpulver, verhextes Vieh

Knuspert

der Scharfrichterknecht; von knaspern, knuspern, nd. gnaspern, knirschen.

Muß

Musch, Mosche, Müschel; Musche ist in der Schindersprache besonders noch die Tochter des Scharfrichters.

Nowel

(nowol), Newil, Nebel, der Narr, Schalk, Schelm

Pink

jede Mannsperson, die nicht zum Scharfrichterstande gehört aus ihm geboren ist.

Rozeach

(rozach, tödten, morden). Der Todtschläger, Mörder; Razchonis, die Mörderin; Rezach, Reziche (Reziege), der Mord, Todtschlag; eine Reziche thun, rozechenen, rozchenen, tödten, morden.

Schot

(schot) Schoter, Schaut, Schauter, verdorben Schoder, Schauder, der Büttel, der die Peitsche (schot) handhabt, der Schließer, Gerichtsknecht, Polizeiknecht, Stadtknecht.

Stümper

der Verächter der Scharfrichter und Abdecker; Stümperei, Verachtung der Scharfrichter; stümpern, stümpsch sein, den Stand der Scharfrichter verachten, darauf schimpfen.

Wittisch, Wittscher

der, der nicht zum Abdeckerstande gehört; Wittstock, der die Schindersprache nicht versteht